China öffnet weiter seinen Anleihemarkt

Die chinesischen Behörden haben in diesem Jahr neue Massnahmen zur Öffnung der heimischen Finanzmärkte umgesetzt. Dieser Umstand wird dem chinesischen Anleihemarkt zugutekommen.

Chinas Anleihemarkt steht vor einem weiteren Schritt der Öffnung. Der Indexanbieter FTSE Russell dürfte noch in diesem Jahr die Aufnahme der in Renminbi denominierten chinesischen Anleihen in seinen Anleiheindex (World Government Bond Index / WGBI) beschliessen. Seit April 2019 findet der schrittweise Einschluss staatlicher und quasi-staatlicher Anleihen in den Bloomberg Barclays Global-Aggregate Index statt. Dieser Prozess wird im November 2020 abgeschlossen sein. Der Anteil Chinas wird dann auf rund 6 Prozent steigen. Im Februar 2020 hat J.P. Morgan die Inklusion chinesischer Titel in den Index für Lokalwährungsanleihen (GBI-EM) lanciert. Nach zehnmonatiger Übergangsphase wird mit einem Anteil Chinas von rund 10 Prozent gerechnet. Laut Analysten wird der Einbezug chinesischer Anleihen in den WGBI ebenfalls schrittweise erfolgen. Chinas Anleihemarkt ist mit rund 16 Billionen US-Dollar nach den USA der zweitgrösste Anleihemarkt der Welt. Der Einbezug dieses Anleihesegments in die wichtigsten Anleiheindizes, die für die Wertpapierfonds häufig als Benchmark dienen, dürfte die Nachfrage nach chinesischen Lokalwährungsanleihen weiter ankurbeln.

Die vollständige Öffnung des chinesischen Anleihemarkts wird durch die fehlende Konvertibilität des Renminbis erschwert. Die Chinesische Zentralbank (PBoC) orientiert sich bei ihrer Wechselkurspolitik an einer stabilen Entwicklung des handelsgewichteten Renminbis. Der Renminbi ist an einen Korb aus 24 Währungen gekoppelt. Eine gänzliche Freigabe des Wechselkurses ist in den nächsten Jahren nicht zu erwarten. Die Sorge um die Kapitalflucht der im Inland ansässigen Investoren, vor allem in Phasen erhöhter Unsicherheit an den Kapitalmärkten, verhindert die Internationalisierung der chinesischen Kapitalbilanz und somit des Renminbis.

Allerdings könnten die Fortschritte bei der Entwicklung von Digitalwährungen die Internationalisierung des Renminbis fördern. China verfügt dabei über einen klaren Vorsprung gegenüber den Industrieländern. Der digitale Renminbi ist eine von der PBoC herausgegebene und kontrollierte Digitalwährung (Central Bank Digital Currency / CBDC), die im Gegensatz zu den üblichen Kryptowährungen mit dem gesetzlichen Zahlungsmittel eins zu eins verknüpft ist. Der digitale Renminbi wird ein Bestandteil der Geldbasis (M0) sein. Die Nutzung des digitalen Renminbis wird bereits in Shenzhen, in Suzhou, in Chengdu und in Xunan getestet. Einige Analysten gehen von einer landesweiten Einführung seitens der PBoC im Jahr 2021 aus.

Der digitale Renminbi wird eine eindeutige Unterscheidung zwischen den in- und den ausländischen Investoren ermöglichen. Eine vollständige Aufhebung von Kapitalverkehrskontrollen für die ausländischen Anleger ist realistisch. Die Ausländer profitieren schon jetzt von Ausnahmen bei der Regulierung der chinesischen Finanzmärkte. Die Aufspaltung in einen Onshore- und in einen Offshore-Renminbi könnte mittel- bis langfristig überflüssig werden. Die Rede vom Renminbi als der neuen Reservewährung wäre jedoch verfrüht.

Die mit der Einbeziehung chinesischer Wertpapiere in die weltweiten Anleiheindizes einhergehende Öffnung der Finanzmärkte Chinas bietet Ertragspotenziale. Vor allem die chinesischen Staatsanleihen erscheinen interessant. Sie verfügen über einen Investment-Grade-Status. Mit rund 60 Prozent ist die Staatsschuldenquote im Vergleich zu den anderen grossen Volkswirtschaften (Japan: circa 250 Prozent, USA: rund 110 Prozent) moderat. Vor dem Hintergrund des tiefen Zinsniveaus in den USA, in Europa und in Japan sind die Renditen von etwa 2 Prozent attraktiv. In einem breit diversifizierten Portfolio können chinesische Lokalwährungsanleihen einen positiven Performancebeitrag liefern.

Portrait Waldemar Lukas
Waldemar Lukas, Fixed Income Management, LLB Asset Management AG

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