Verzerrungen an den Energiemärkten

Das Tauziehen zwischen progressiven und konservativen Kräften bringt der Gesellschaft aktuell hohe Preisschwankungen bei Energierohstoffen. Ein wesentlicher Grund für diese Entwicklung liegt in gut gemeinten Interventionen. Vor allem im Rohstoffbereich ist das Primat des Marktes jedoch besonders ausgeprägt. Getreu dem Motto, dass das beste Korrektiv gegen hohe Preise hohe Preise selbst sind, sollte die Politik so wenig wie möglich eingreifen und die Selbstregulationskräfte des Marktes wirken lassen. Die gefährlichen Abhängigkeiten von einzelnen Energieanbietern zu reduzieren, sollte dabei im Fokus der politischen Bemühungen stehen.

Die LLB-Anlageexperten gehen weiterhin davon aus, dass die Energiepreise volatil bleiben werden. Solange der Konflikt in Osteuropa nicht endgültig beigelegt ist, wird die Weltwirtschaft an einer Reorganisation der Versorgungsketten und an der Sicherheit der Energieversorgung arbeiten müssen. Dies ist mit enormen Kosten verbunden, benötigt Zeit und belastet die globale Wirtschaftsleistung.

Die Nachfrage nach Rohstoffen und Energie zeigt sich bis anhin robust. In der OECD dürfte nach der Bewältigung der Coronapandemie die Nachfrage zumindest nicht weiter abnehmen beziehungsweise von den Öffnungen positiv beeinflusst werden. Der rigorose Lockdown in China sowie die von der kommunistischen Partei verfolgte Zero-Covid-Strategie dämpfen das Wachstum und somit auch die Energienachfrage. Aufgrund der globalisierten Wirtschaft sind die Auswirkungen der chinesischen Gesundheitspolitik auch im Westen zu spüren − insbesondere in Form von fehlenden Konsumgütern.

Langfristig dürften vor allem die Anstrengungen der Wirtschaft zur Dekarbonisierung die grössten Auswirkungen auf die Energienachfrage haben. Hier ist bereits heute ein aggressives Ausstiegsszenario aus bestehenden fossilen Energiequellen politisch beschlossene Sache. Dieser Trend wird sich nicht umkehren. Somit dürfte mittel- bis langfristig die Energienachfrage aus der OECD strukturell fallen. In den aufstrebenden Volkswirtschaften ist die Entwicklung hingegen weniger klar. Bis anhin wird die Energienachfrage aus den Schwellenländern als unvermindert steigend eingeschätzt.

In der aktuellen Phase scheinen vor allem integrierte Energieunternehmen besonders attraktiv. Aufgrund des Geschäftsmodells besteht eine natürliche Absicherung gegen übermässige Preisschwankungen. Integrierte Energieunternehmen profitieren über das Fördergeschäft von steigenden Preisen. Bei fallenden Energiepreisen erhöhen die Unternehmen meist ihre Margen aufgrund des stabilen Raffinerie- und Petrochemie-Geschäfts. Für die Zukunft kann bereits festgehalten werden, dass vermehrt nachhaltige Projekte entwickelt werden. Die konventionelle Energieproduktion stellt zwar noch immer ein wichtiges Geschäft dar, wird aber nach Möglichkeit deutlich zurückgebaut. Anleger profitieren von einem hohen Impact, da bestehende umweltschädliche Projekte abgestossen oder mittels technologischen Fortschritts umweltschonender bewirtschaftet werden. Integrierte Energieunternehmen dürften noch über Jahrzehnte hinweg attraktive Cashflows erwirtschaften. Die Energienachfrage liegt heute bei rund 100 Millionen Fass pro Tag. Sollten in der Zukunft keine fossilen Energieträger mehr verbrannt werden, sind die Anwendungsfälle in der organischen Chemie, bei Konsumgütern, im Gesundheitsbereich und in der Materialforschung schier grenzenlos.

Portrait Timo Gruber
Timo Gruber, LLB Asset Management AG, Vaduz

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