Zinsentwicklung in der Retrospektiven

Beeinflusst unsere emotionale Wahrnehmungsbrille den Blick auf die aktuelle Zinsmarktsituation zurecht? Wie wir unsere gefühlte Wahrnehmung auf Fakten-Basis der letzten Jahrzehnte besser verstehen und geraderücken können, ist leichter geschrieben als selbst gelebt. Um mitunter frühzeitig provozierten Rückschlüssen entgegenzuwirken, zeigen aktuelle Entscheidungswege auf.

Immobilienbesitzer hatten in den vergangenen rund zehn Jahren die Möglichkeit ihre Immobilien auf einem historisch tiefen Zinsniveau zu finanzieren. Seit diesem Jahr sind sie jedoch mit erhöhten und stark schwankenden Hypothekarzinssätzen konfrontiert. Die Zinssätze werden von unterschiedlichen Indikatoren beeinflusst. Aktuelle Themen wie die expansive Geldpolitik während der Corona-Pandemie, den aktuell vorherrschenden geopolitischen Spannungen sowie den global gestörten Lieferketten resultieren in den hohen Inflationsraten auf der ganzen Welt, welche unter anderem die aktuelle Zinsentwicklung stark beeinflussen. Dazu kommt, dass es nicht abschätzbar ist, bis wann sich diese Einflussfaktoren wieder beruhigen oder gar ganz legen werden.

Historische Entwicklung der Hypothekarzinssätze in CHF

Historische Entwicklung der Hypothekarzinssätze in CHF

 

Historisch betrachtet befinden wir uns nach wie vor auf einem eher tiefen Zinsniveau, wie die Grafik veranschaulicht. Immobilien, gerade solche die als Eigenheim dienen, sind oftmals Investitionen, welche für mehrere Jahrzehnte oder gar bis zur Weitergabe an die nächste Generation getätigt werden. Die Grafik zeigt, dass Immobilienbesitzer in einem solch langen Finanzierungshorizont unterschiedlichste Zinsphasen durchlaufen. So durchliefen Immobilienbesitzer, die ihre Immobilien seit rund 30 Jahren halten, in den 1990er Jahren Zinssätze zwischen 5 % – 8 %, in den 2000er Jahren zwischen 3 % - 5 % und in den 2010-er Jahren zwischen 1 % bis 3 %.

Gerade die Immobilienbesitzer, die ihre Anschaffung in den letzten zehn Jahren getätigt haben und ihre Finanzierungskosten aufgrund des Tiefzinsniveaus und den kaum vorhandenen Schwankungen sehr günstig gestalten konnten, sehen sich zum ersten Mal mit dieser Situation konfrontiert. Bei der Wahl des geeigneten Finanzierungsmodells (Hypothekarprodukt und deren Laufzeit) konnte in den vergangenen zehn Jahren kaum eine falsche Entscheidung getroffen werden, da die Kosten bei allen Modellen günstig waren. Auch Personen, die ein Immobilienprojekt planen und bislang mit tieferen Finanzierungskosten kalkuliert haben, stehen dieser veränderten Situation gegenüber.

Nun stellt sich für Immobilienbesitzer, die eine neue Finanzierung abschliessen oder eine auslaufende festverzinsliche Hypothek verlängern möchten, die Frage, wie man in der aktuellen Phase mit den steigenden Finanzierungskosten und der ungewissen Entwicklung dieser umgehen soll. Aufgrund der unterschiedlichen Einflussfaktoren auf die kurz- und mittelfristige Entwicklung der Zinssätze kann aktuell kaum eine seriöse Prognose gegeben werden.

Eine allgemeingültige Antwort auf diese Frage gibt es im aktuellen Marktumfeld kaum. Um eine geeignete Entscheidung zu treffen, erfordert es eine individuelle Betrachtung des Kreditnehmers und seiner Situation. Zum einen stellt sich in der aktuellen Lage besonders die Frage, inwieweit eine klare Budgetsicherheit über mehrere Jahre hinweg wichtig ist. Mit einer Festhypothek mit einer Laufzeit zwischen 2 bis 10 Jahren kann diese klare Budgetsicherheit geschaffen werden. Da die aktuellen Zinserhöhungen vor allem die Zinssätze der Festhypotheken betreffen, nimmt man für diese Budgetsicherheit einen höheren Zinssatz in Kauf. Bei der kurzfristigen Geldmarkt Hypothek (SARON), profitiert man zwar trotz dem kürzlich angehobenen CHF-Leitzins der Schweizerischen Nationalbank (SNB) von deutlich tieferen Zinssätzen, jedoch sind die Zinssätze nur für 1 oder 3 Monate gebunden. Entsprechend besteht das Risiko, dass sich der Zinssatz monatlich beziehungsweise vierteljährlich anpassen kann. Zum anderen müssen neben der Budgetsicherheit Themen wie geplante Amortisationen, ein allfälliger Verkauf oder die Weitergabe der Immobilie mitberücksichtigt werden.

Eine Entscheidung zu treffen, ist in dieser ungewissen Lage nicht einfach. Die Beraterinnen und Berater der Liechtensteinischen Landesbank unterstützen Sie gerne bei Ihrer Entscheidungsfindung mit einer individuellen Beratung.

Portrait Christopher Marxer
Christopher Marxer, Kundenberater Finanzierungen, Liechtensteinische Landesbank AG

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