Coronakrise bringt keine Inflation

Die riesige Menge an Geld, die Regierungen und Notenbanken derzeit in die Wirtschaft pumpen, weckt die Angst vor Inflation. Dazu wird es allerdings aufgrund der schwachen Konjunktur nicht kommen.

Es ist lange her, dass die Inflation Anlegern schlaflose Nächte bereitet hat. Seit der Finanzkrise 2008 waren es nicht steigende, sondern fallende Teuerungsraten, die die Behörden beschäftigten. Die Zentralbanken der Industrieländer haben erfolglos versucht, sie anzuheben. Die grosse Ausweitung der Geldmenge, die sie im Rahmen mehrerer Kaufprogramme vorgenommen haben, zeigte keine Wirkung. Irgendwann haben die Finanzmärkte aufgehört, daran zu glauben, dass die Teuerungsraten wieder steigen werden. Die Inflationserwartungen blieben trotz aller Bemühungen der Geldpolitik niedrig.

Inzwischen gibt es allerdings Stimmen, die davor warnen, dass die Coronakrise höhere Inflationsraten bringen könnte. Um die Ausbreitung des Virus zu verhindern, haben Unternehmen geschlossen oder die Produktion beziehungsweise das Angebot an Dienstleistungen reduziert. Die Nachfrage nach diesen Gütern und Dienstleistungen hat anschliessend aus demselben Grund einen Einbruch erfahren. Die entscheidende Frage ist nun, ob sich das Angebot oder die Nachfrage schneller erholt. Wenn es Letztere ist, dann sind die Weichen in der Tat für eine Inflation gestellt. Darf zum Beispiel eine Fluggesellschaft aufgrund der Distanzregeln nur die Hälfte der Sitzplätze anbieten, die Leute wollen nach dem Ende der Ausgangssperre jedoch in gleichem Masse fliegen wie vor der Krise, trifft eine normale Nachfrage auf ein reduziertes Angebot. In so einem Fall würden die Preise steigen.

Schwacher Konsum

Allerdings darf man daran zweifeln, ob die Krise wirklich nur einen geringen Einfluss auf den Konsum hat. Die schlimmste Rezession seit der Weltwirtschaftskrise, die rekordhohe Arbeitslosigkeit und die Ansteckungsgefahr dürften Verbraucher zurückhaltender werden lassen. Reisen und Investitionen werden vermutlich aufgeschoben, bis das Risiko einer weiteren Pandemiewelle endgültig verschwunden sein wird. Bis dahin dürften Verbraucher aufgrund der Unsicherheit vermehrt sparen, wie das gemäss einer Untersuchung der US-Zentralbank auch in vergangenen Pandemien der Fall war. Trifft das zu, wird die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen schwach bleiben und sich nicht so schnell erholen. In so einem Umfeld können Unternehmen keine Preis- und Arbeitnehmer keine Lohnerhöhungen durchsetzen. Die Teuerungsraten bleiben dann moderat, wie sie es in den letzten Jahren waren.

Für eine höhere Inflation wären dauerhaft höhere Staatsausgaben erforderlich. Danach sieht es aber nicht aus. Die Massnahmen der Regierungen sind temporär. Sobald die Arbeitslosigkeit gesunken ist, wird der Gürtel wieder enger geschnallt. In den vergangenen Jahren hat sich zwar die Stimmung gegen eine Sparpolitik in mehreren Ländern gewendet. Ein ausgeglichener Staatshaushalt war nicht mehr das Ziel. Vielmehr wollte man mittels erhöhter Fiskalpolitik das Wachstum beleben. Aber nur wenige Länder können sich ein permanent hohes Defizit leisten. Wähler, Politiker und nicht zuletzt die Finanzmärkte haben wenig Freude an einem rasant wachsenden Schuldenberg. In der EU lassen die Stabilitätsregeln den Mitgliedsländern ausserhalb von Notfällen zudem wenig Spielraum.

Weiterhin tiefe Zinsen

Die Coronakrise wird also vorläufig keine Rückkehr der Inflation bedeuten. Dazu wird auch der Zerfall des Ölpreises seinen Beitrag leisten. Für die Anleger bedeutet das weiterhin tiefe Zinsen, weil die Notenbanken aufgrund der niedrigen Inflation keine Notwendigkeit haben werden, den Leitzins anzuheben. Sie werden weiterhin auf eine extrem lockere Geldpolitik zur Unterstützung der Konjunktur setzen. Dazu gehört der grossangelegte Kauf von Anleihen am Finanzmarkt. Darunter fallen auch die Staatsanleihen, die die Länder in grossen Mengen neu herausgeben werden, um ihre Unterstützungsmassnahmen zu finanzieren. Mit steigenden Renditen ist darum nicht zu rechnen − vor allem nicht bei den als sicher geltenden Ländern wie zum Beispiel Deutschland oder der Schweiz.

Portrait Roger Wohlwend
Roger Wohlwend, Senior Portfoliomanager, LLB Asset Management AG, Vaduz

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