Die Kosten des Fortschritts

Diverse Aktien im Gesundheits- und Nahrungsmittelsektor sind derzeit empfehlenswert. Eine ehrliche Diskussion über gesundheitliche Entwicklungen beinhaltet beide Sektoren.

Die letzten drei Jahrhunderte seit der industriellen Revolution brachten einen massiven Fortschritt bei der Lebenserwartung. Grund dafür sind Erfindungen wie die Impfung und die Pasteurisierung von Milch, die die Kindersterblichkeit stark reduziert haben. In den Entwicklungsländern zeigt sich mit einer konstanten Verzögerung von fünfzig Jahren dieselbe Erhöhung bei der Lebenserwartung.

Die Kehrseite dieser Entwicklung sind stetig steigende Gesundheitskosten – denn Krankheiten betreffen hauptsächlich ältere Menschen. Zudem führt der westliche Lebensstil vermehrt zu Beschwerden wie Fettleibigkeit oder Diabetes. Forschung, insbesondere gegen altersbedingte Erkrankungen, hat ihren Preis. Vor Kurzem hat beispielsweise die US-Gesundheitsbehörde FDA ein Medikament gegen Alzheimer bewilligt, das pro Jahr und Patient 56'000 US-Dollar kostet.

Reparatur ist teurer als vorausschauender Unterhalt

Klar ist, dass das moderne Gesundheitssystem mit so teuren Therapien nur über eine private oder staatliche Versicherungslösung funktioniert: Die aktuell Gesunden bezahlen für die aktuell Kranken, die aktuell Jungen für die aktuell Alten. Wie stark die Kosten noch steigen können, ist deshalb auch eine politische Frage. Die FDA-Zulassung für das erwähnte Alzheimer-Medikament hat im Aktienmarkt den gesamten Pharmasektor beflügelt. Sie birgt aber auch Risiken, denn nun fokussiert sich die politische Aufmerksamkeit einmal mehr auf Medikamentenpreise, obwohl diese nur einen kleinen Teil der gesamten Gesundheitskosten ausmachen. Eine ehrliche Diskussion würde viel eher an den Ursachen ansetzen. Die Reparatur eines schlecht gepflegten Autos ist immer teurer als ein guter Unterhalt. Präventive Massnahmen wie beispielsweise hohe Zuckersteuern würden Anreize beim Verhalten und beim Konsum schaffen. Fraglich ist, ob bereits Lebensmittelklassifizierungen einen Effekt haben. Bei Nestlé sind 70 Prozent des Portfolios gemäss Australiens Klassifizierung ungesund. Aber hätte die heutige Gesellschaft überhaupt Zeit und Geld, immer vollwertige Kost zu kaufen oder zu kochen? Neben der Gesundheit sind weitere Aspekte wie die Umwelt relevant, wie beispielsweise der Dokumentarfilm «Seaspiracy» aufzeigt, der die ökologischen Folgen der industriellen Fischerei thematisiert.

Welche Investments sind nachhaltig?

Ist die Bell-Aktie die bessere Wahl als jene von Nestlé, weil Bell nicht im Geschäft mit Süssigkeiten tätig ist, sondern auf vollwertige Kost wie Fleisch und Salat setzt? Oder gerade umgekehrt, weil die Fleischproduktion klimaschädlich ist? Ist Emmi mit Fokus auf Milchprodukte die gesunde Alternative? Oder eben nicht, weil das bekannteste Produkt Caffè Latte ein gesüsster Kaffeedrink ist? Ist der Pharmasektor ein Leuchtturm des Fortschritts, wie die aktuelle Pandemie zeigt? Oder eine Abschöpfung von überhöhten Preisen in einem falsch regulierten Markt? Unterschiedliche Ansichten und Wertvorstellungen erlauben hier verschiedene Meinungen − am Ende kann jeder Investor die Fragen nur für sich selbst beantworten.
Gemäss dem Nachhaltigkeitsansatz der Liechtensteinischen Landesbank (LLB) sind alle erwähnten Unternehmen nachhaltig. Bezüglich gesunder Nahrungsmittel gibt es sicherlich ein Spektrum und nicht nur Schwarz und Weiss. Die Bell-Aktie auf 14 x KGV scheint aber weniger risikoreich als reine Schokoladenaktien im Schweizer Markt, die auf 30−50 x KGV handeln.

Im Pharmabereich überwiegen mit 15−17 x KGV bei Roche und Novartis die Chancen auf langfristige Wachstumsperspektiven dank demografischer Trends. Die US-Medikamentenpreise sind zwar überhöht, aber eine Reform wird sehr wahrscheinlich wie so vieles den politischen Gräben zwischen Republikanern und Demokraten zum Opfer fallen.

Schliesslich sind sowohl der Nahrungs- als auch der Gesundheitssektor ganz unten in der Bedürfnispyramide nach Maslow angesiedelt – das Bedürfnis zum Kauf dieser Produkte ist also besonders stark. Aktien von Nestlé, Emmi, Bell und Orior sowie von Roche, Novartis, Alcon, Galenica, Sonova und Tecan empfehlen sich daher zum Kauf.

Portrait Thomas Kühne
Thomas Kühne, Fondsmanager Aktien Schweiz, LLB Asset Management AG, Vaduz

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