Schweizer Fokus zahlt sich aus

Die gestiegenen Lebensmittelpreise dürften Schweizer Nahrungsmittelfirmen nur bedingt beschäftigen. Wir empfehlen die Aktien von Emmi, Orior, Bell, Vetropack und Nestlé zum Kauf.

Mit dem Krieg in der Ukraine und einer bereits seit 2020 immer wieder auftretenden La Niña-Wetterphase haben sich gewisse Nahrungsmittelpreise weltweit verteuert. Ist dies auch für die Schweizer Hersteller ein Problem? Zur Beantwortung dieser Frage lohnt es sich, die Beschaffung der Hersteller genauer zu analysieren. Die Firma Orior, die unter anderem Salami-Produkte mit den Marken Rapelli, Ticinella und Albert Spiess herstellt, bezieht 75 Prozent des verwendeten Fleisches aus der Schweiz. Bei den Früchten und Gemüsen bezog Orior 48 Prozent aus der Schweiz und 47 Prozent aus dem (oft nahen) europäischen Ausland. Hartweizen hingegen wird vor allem aus Nordamerika eingekauft, weshalb sich die Produktionskosten für Orior in diesem Bereich verteuern werden. Allerdings betrifft dies primär die Pasta-Produkte, die weniger als 20 Prozent des Umsatzes ausmachen dürften. Im Gegenzug dürfte Orior von einer kontinuierlichen Normalisierung des Flugverkehrs profitieren, da das Tochterunternehmen Casualfood an diversen Flughäfen (u. a. Frankfurt) Food-Inseln betreibt. Nachdem die Pandemie das Unternehmen mit voller Wucht getroffen hat und zu langer Kurzarbeit führte, sucht Casualfood nun 39 Mitarbeiter – das Geschäft scheint sich also wieder zu beleben.

Auch Emmi dürfte von dem weitgehenden Ende der Pandemie ausserhalb Asiens profitieren. Denn das gewinnstärkste Produkt, Caffè Latte, wird von den Konsumenten gerade auch unterwegs konsumiert. Emmi verarbeitet vor allem Kuhmilch – insgesamt 2 Millionen Tonnen (!) pro Jahr, davon rund die Hälfte in der Schweiz. Die Milchpreise in der Schweiz steigen aktuell zwar rund 5 Prozent gegenüber dem Vorjahr, dies sind aber keine drastischen Veränderungen im Vergleich beispielsweise zu den USA, wo die Milchpreise rund 50 Prozent zunehmen. Unseres Erachtens dürfte also auch Emmi relativ gut durch die aktuelle Nahrungsmittelpreishausse kommen.

Bell benutzt für die Pasta-Produktion bei Hilcona vor allem Weizen aus der Schweiz. Insgesamt stammen 98 Prozent aller tierischen Rohstoffe und 89 Prozent aller pflanzlichen Rohstoffe aus Europa. Wie bei Orior dürfte die Fleischproduktion selbst in der Schweiz indirekt teurer werden, weil das vorwiegend aus dem Ausland importierte Futtermittel teurer wird.

Nestlé setzt eine Vielzahl an Rohstoffen ein und berichtete bereits im April von einer klaren Zunahme der Rohstoffinflation. Als grösster Nahrungsmittelproduzent der Welt dürfte Nestlé aber über die Marktmacht verfügen, diese Preise an die Konsumenten weiterzugeben.

Der Zulieferer für die Lebensmittelbranche Vetropack, der Glasbehälter wie Flaschen oder Gläser für Konfitüren und Babynahrung herstellt, hatte hingegen mit unmittelbaren Folgen des Ukrainekriegs zu kämpfen. Das Vetropack-Werk in der Ukraine wurde beschädigt und steht auf nicht absehbare Zeit still. Weil aber Glas aus der Ukraine und Russland nun auch in Europa fehlt und gleichzeitig mit dem Ende der Pandemie die Glasnachfrage stark ansteigt, ist der Glasmarkt in Europa aktuell sehr angespannt. Unter anderem darum hat der grösste Konkurrent, O-I Glass, kürzlich die erwarteten Finanzzahlen für das Gesamtjahr angehoben. Wir denken darum, dass das Geschäftsumfeld auch für Vetropack besser als befürchtet ist.

Der Aktienmarkt scheint aktuell eine zukünftige konjunkturelle Verlangsamung einzupreisen. Während dies nicht unser Hauptszenario ist, dürfte der Lebensmittelsektor generell ausgedrückt relativ krisenresistent sein, da wir auf diese Produkte nicht verzichten können. Sind diese Aktien darum an der Börse bereits hochgejubelt und überbewertet? Keineswegs, denn nur Nestlé ist rund 37 Prozent höher und Emmi in etwa gleich wie der Gesamtmarkt (SPI) bewertet auf Stufe Unternehmenswert/EBITDA. Die anderen Aktien weisen teilweise markante Abschläge (Orior: 20 Prozent, Bell: 46 Prozent, Vetropack: 68 Prozent) auf. Wir empfehlen die im Artikel erwähnten Aktien darum zum Kauf

Portrait Thomas Kühne
Thomas Kühne, Fondsmanager Aktien Schweiz, LLB Asset Management AG, Vaduz.

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