Uran: zwischen Geopolitik und Umweltschutz

«The best cure for high prices is high prices!» Das Zitat verdeutlicht, dass höhere Rohstoffpreise eine Angebotsausweitung und gleichzeitig eine Nachfragereduktion bewirken, sodass der Preis wieder auf ein tieferes Niveau absinken kann.

Was passiert nun, wenn aber die Marktkräfte nicht ungehindert arbeiten können? Im Markt für Uran, dem Betriebsstoff für Kernkraftwerke, kann eine derartige, temporär verspannte Marktsituation aktuell miterlebt werden. Wo liegen die Probleme auf der Angebots- beziehungsweise Nachfrageseite? Und wann wird sich der Uranpreis – innerhalb weniger Jahre von unter USD 20 pro Pfund auf über USD 100 pro Pfund gestiegen – wieder normalisieren?

Preisentwicklung Uran

Preisentwicklung Uran

Nach dem schweren Erdbeben in Japan im Jahr 2011 und dem daraus resultierenden Reaktorunfall im Kernkraftwerk Fukushima sank die Nachfrage nach Uran einige Jahre später auf einen historischen Tiefpunkt. Aktuell treiben jedoch zwei wichtige Entwicklungen die Nachfrage nach spaltbarem Uran wieder an: Einerseits ein wesentlicher Technologiefortschritt in Bezug auf die Reaktortechnik, die es erlaubt, Atomreaktoren kleiner, kostengünstiger und modular zu fertigen (sogenannte Small Modular Reactors oder SMRs), sowie andererseits die Notwendigkeit, treibhausgasemissionsarme Energieformen auszubauen. Nachdem in Europa Frankreich traditionell zu den Verfechtern der Kernkraft gehört (knapp drei Viertel des erzeugten Stroms stammen dort aus den über 56 im Land betriebenen Kernkraftwerken) und die Energieform auch von Brüssel über die Taxonomie-Verordnung als klimagünstige Form der Energieerzeugung wahrgenommen wird, einigte man sich nun auch international an der UN-Klimakonferenz COP28 in Dubai im Dezember 2023 auf eine Verdreifachung der nuklearen Energieerzeugungskapazitäten. Diese Entwicklung dürfte für einen deutlichen – und sehr plötzlichen – Nachfrageschub sorgen. Berücksichtigt man die Tatsache, dass die Brennstäbe und das darin verarbeitete Uran nur einen geringen, deutlich unter 10 Prozent liegenden Anteil der Betriebskosten eines Kernkraftwerks ausmachen, wird verständlich, warum Kernkraftwerksbetreiber grundsätzlich als nicht preissensitive Nachfrager im Uranbrennstabmarkt auftreten. Reduziert sich das Angebot weiterhin, dürfte sich dieses Verhalten verfestigen und der Einkaufspreis für Brennmaterial eine absolut untergeordnete Rolle spielen.

Kostenstruktur eines Kernkraftwerks

Kostenstruktur eines Kernkraftwerks

Für eine nachhaltig angespannte Angebotssituation sprechen vor allem die derzeitigen geopolitischen Entwicklungen. Das Angebot nachhaltig einschränkend und ohne sich abzeichnende Lösung bleibt die Entwicklung von Françafrique. In früheren afrikanischen Kolonien und im Afrika südlich der Sahara schwindet der Einfluss Frankreichs zusehends. Die prekäre politische Situation in Niger beeinträchtigt deutlich über 5 Prozent der globalen Uranproduktion und weiterer Rohstoffe. Russland, seit dem Angriff auf die Ukraine ein Paria-Staat und schwer sanktioniert, verfügt über bedeutende Urananreicherungskapazitäten. Ein Embargo auf in Russland gefördertes oder verarbeitetes Uran würde die Supply Chain der Brennstäbe massiv stören und somit auch Europa potenziell mit dem Problem eines Blackouts konfrontieren. Dass Kasachstan, der weltgrösste Uranproduzent, erst unlängst bekannt gab weitere Kapazität aus dem Markt zu nehmen, da es zu Problemen in Abbauregionen und Minen gekommen sei, gleicht einer Hiobsbotschaft und hat die Preise für den Rohstoff nochmals deutlich angetrieben.

Betrachtet man all diese Entwicklungen, müsste man – rational betrachtet – fragen: Kann es denn noch schlimmer kommen?

Nein, wir erwarten, dass sich die Probleme mit der Zeit lösen. Daran kann grundsätzlich kein Zweifel bestehen.

Die für die Preisentwicklung entscheidende Frage ist jedoch nicht ob, sondern wann und wie lange es konkret dauern wird, bis sich Lösungen abzeichnen. In Bezug auf die Angebotssituation sehen wir kurzfristig keinerlei entspannende Tendenzen; weder in Afrika, wo die Ablösung von ausländischem Einfluss gerade erst begonnen hat, noch in Russland, wo der Krieg nun schon knapp zwei Jahre andauert. Mit den anstehenden Präsidentschaftswahlen in den USA dürfte die derzeitige Administration den Sanktionsdruck gegen Putin kurzfristig noch weiter erhöhen. Eine potenzielle zweite Präsidentschaft von Donald Trump könnte aber eher gegenteilige Effekte haben, sprich womöglich eine gewisse Entspannung – auch in den Wirtschaftsbeziehungen zu Russland. Die Nachfrage hingegen dürfte sich weiterhin robust nach oben entwickeln: In Frankreich soll der Atomausbau bis 2050 sogar noch beschleunigt werden, dies gilt ebenfalls für Osteuropa. In den Emerging Markets gehört China zu den grössten zukünftigen Nachfragern nach Uran. Hier sind in den nächsten zehn Jahren über 150 neue Kernkraftwerke in Planung. Weitere bevölkerungsreiche Regionen wie Indien oder Indonesien sind derweil noch nicht so weit; hier werden derzeit noch neue kalorische Kohlekraftwerke projektiert, die aber früher oder später ebenfalls mit alternativen Energieformen ersetzt werden.

Finanzielle Situation bei Cameco Corp.

Finanzielle Situation bei Cameco Corp.

Zusammengefasst zeigt sich die Marktsituation für Uran als Rohstoff äusserst konstruktiv. Wir rechnen kurzfristig mit erhöhter Volatilität und der Ausbildung eines Preisniveaus zwischen USD 80 bis USD 100 pro Pfund. Aufgrund der dargestellten rigiden Angebotsdynamik sowie der strukturell anziehenden Nachfrage dürften mittelfristig jedoch höhere Preise zu erwarten sein. Auf unserer Aktienliste Nordamerika empfehlen wir den in den USA kotierten kanadischen Minenbetreiber Cameco Corp. Das Unternehmen erwirtschaftet einen Grossteil seiner Erträge im Geschäft mit dem Abbau und der Verarbeitung von Uran. Die Bilanz ist netto schuldenfrei und Cameco verfügt mit über USD 2.5 Milliarden Cash über eine gut gefüllte Kasse. Der freie Cashflow steigt stark an und dürfte im Jahr 2024 knapp USD 650 Millionen erreichen. Das Unternehmen ist faktisch der einzige verbleibende, verlässliche westliche Partner für den Aufbau einer robusten Wertschöpfungskette für die CO2-emissionsarme Form der Energieerzeugung.

Portrait Timo Gruber
Timo Gruber, Fondsmanager LLB Aktien Nordamerika ESG, LLB AG